Informationen zu "Valse de la cigarette from the ballet "Namouna" für Orchester Studienpartitur"
Komponist/Autor: Edouard Victor Antoine Lalo
Verlag: Musikproduktion Höflich
Verlagsnummer: MPH4891
EAN: 9990901266937
Beschreibung
Édouard Lalo, der von spanischen Vorfahren abstammte, stand in seiner französischen Heimat immer etwas im Schatten von Charles Gounod, César Franck, Camille Saint-Saëns, Georges Bizet, Jules Massenet und Gabriel Fauré. Auch international ist seine Musik, ähnlich wie Max Bruch, eigentlich nur mit zwei konzertanten Werken ins ständige Repertoire eingegangen: mit der fünfsätzigen Symphonie espagnole op. 21 (seinem zweiten Violinkonzert) von 1874 und dem Cellokonzert d-moll von 1877. Dass die Franzosen ihm so wenig Beachtung schenkten, hing wohl auch mit seiner zutiefsten Verehrung der großen deutschen Meister Beethoven, Schubert, Mendelssohn und Schumann zusammen, die ihm zeitlose Vorbilder waren, und in Zusammenhang damit, dass er als Komponist keine ausgeprägt nationale Haltung bevorzugte. Für Nichtfranzosen freilich dürfte seine Musik nicht weniger französisch klingen als diejenige von Gounod, Saint-Saëns, Bizet oder Massenet. Gleich nach der Uraufführung war es dann Claude Debussy, der die erlesene Finesse von Lalos Namouna-Ballettmusik (1881-82) für sich entdeckte und begeistert darüber berichtete.
Lalo ist vor allem bekannt für seine konzertanten Werke, weniger für seine weitere Orchestermusik oder für seine Opern Fiesque (1866-68), Le Roi dYs (1875-87, sein überragender Bühnenerfolg) und La Jacquerie (1889, unvollendet). Was nach wie vor erstaunlich wenig zur Kenntnis genommen wird, ist seine ausgezeichnete Kammermusik, worunter die drei Klaviertrios (die ersten beiden vor 1850 entstanden, das dritte in a-moll op. 26 von 1880) am häufigsten gespielt werden. Doch wer kennt seine zahlreichen bis 1850 komponierten Werke oder Guitare op. 28 von ca. 1877 für Violine und Klavier? Oder die Werke für Cello und Klavier, unter welchen die Cellosonate von 1856 hervorragt? Auch sein einziges Streichquartett in Es-Dur ist ein Geheimtipp geblieben. 1859 als Opus 19 veröffentlicht, revidierte er es später grundlegend und verlieh ihm 1880 die Opuszahl 45.
Lalo war selbst ein versierter Geiger. Nach dem Unterricht in Violine, Cello und Komposition in seiner Gebursstadt Lille kam er 1839 ans Pariser Conservatoire, wo er bis 1847 u. a. bei François-Antoine Habeneck (1781-1849) Violine studierte.
Nach 1865 stellten sich nennenswerte Erfolge als Komponist ein. Nachdem Lalo den großen spanischen Violinvirtuosen Pablo de Sarasate (1844-1908) kennengelernt hatte, entstanden seine vier Hauptwerke für Violine und Orchester: 1873 das Violinkonzert in F op. 20, 1873-74 die Symphonie espagnole, 1878 die Fantaisie norvégienne (die er später unter Weglassung des Soloinstruments zur Rapsodie norvégienne umarbeitete) und 1879 das Concerto russe op. 29, das bei Schott verlegt wurde. Außerdem schrieb er 1877 eine Romance-Sérénade und ein Arrangement von Guitare für Violine und Orchester (letzteres später von Gabriel Pierné [1863-1937] vollendet) und gab 1885 zwei Auszüge aus Namouna für Violine und Orchester heraus: Romance-Sérénade und Introduction et Scherzo. An weiteren Werken für Soloinstrument und Orchester finden wir neben dem populären Cellokonzert nur das späte Klavierkonzert in f-moll von 1888-89. Als Krönung seines Orchesterschaffens dürfte Lalo seine einzige Symphonie in g-moll von 1886 betrachtet haben.
«Valse de la cigarette» aus «Namouna»
1871 komponierte Georges Bizet (1838-75) eine komische Oper auf ein Libretto von Louis Gallet (1835), das auf Alfred de Mussets (1810-57) 1831 erschienener orientalischer Conte oriental (Verserzählung) «Namouna» basierte und ursprünglich auch diesen Titel tragen sollte, dann jedoch in «Djamileh» umbenannte wurde. Die Oper handelt von einer Sklavin, der es gelingt, in ihrem Besitzer tatsächliche Gefühle echter Liebe auszulösen, worauf dieser sie zur Lieblingsfrau in seinem Harem macht.
Als Édouard Lalo 1881-82 die Musik zum Ballett «Namouna» komponierte, war das von Charles Nuitter (1828-99) und dem Choreographen Lucien Petipa (1815-89) ersonnene Szenario ein völlig anderes, dem ein Auszug aus Giacomo Casanovas (1725-98) sein Leben bis 1774 umfassenden, 1789 begonnenen und ca. 1794 abgeschlossenen, umfangreichen «Mémoires» zugrunde liegt, die damals skandalös erschienen und auch zu Lalos Zeit nur in zensierter Form zugänglich waren und erst 1960 unverfälscht veröffentlicht wurden. Lalos «Namouna» wurde von der Pariser Opéra in Auftrag gegeben. Ihm wurde eine Adaption des Casanova-Stoffs von Henri Blaze de Bury (1813-88) vorgelegt, und er hatte nicht viel Zeit für die Komposition. Da erlitt er kurz vor Vollendung der Arbeit am 10. Dezember 1881 einen Schlaganfall, der ihn halbseitig gelähmt zurückließ, worauf Charles Gounod (1818-93) und andere Kollegen zu Hilfe kamen und die rechtzeitige Erfüllung des wichtigen Auftrags ermöglichten. Zur Uraufführung gelangte das Ballett «Namouna» mit Lalos Musik planmäßig am 6. März 1882 am Pariser Théâtre de lOpéra im Anschluss an eine Wiederaufführung der 1828 entstandenen Oper «Le comte Ory» von Gioacchino Rossini. Lalos Musik war ein großer und für viele unerwarteter Erfolg, denn bis dahin hatte das musikalische Paris in ihm vor allem einen Instrumentalkomponisten gesehen, dessen Kammermusik zwar geschätzt wurde, dem man jedoch die Opernkomponisten grundsätzlich vorzog. Es war dann vor allem Claude Debussys sofortige und ein Leben lang anhaltende Begeisterung für Lalo und im Besonderen für seine «Namouna», von der immer wieder die Rede ist. Debussy pries nicht nur Lalos Sinn für Farbe, sondern auch seinen ausgezeichneten Geschmack, und sein makelloses Handwerk stand ohnehin außer Frage. Lalo erholte sich allmählich von dem gesundheitlichen Schock und komponierte im verbleibenden Jahrzehnt noch einige seiner wichtigsten Werke.
Die Musik der «Namouna» erfreute sich solcher Beliebtheit, dass Lalo zwei Suiten aus dem Ballet für den Konzertsaal extrahierte, die seither immer wieder zu hören sind. Erstmals erklang eine sechssätzige Suite am 14. Januar 1883 in den Pariser Concerts du Château dEau unter der Leitung von Charles Lamoureux (1834-99), aus der vier Nummern in die gedruckte erste Suite Eingang fanden. Die beiden weiteren Nummern - «Parade de foire» und «Danse de Namouna» wurden auch in die zweite Suite nicht aufgenommen und sind daher heute fast gänzlich vergessen. Ein anderes Schicksal hatte die hier erstmals seit dem Erstdruck wieder aufgelegte «Valse de la Cigarette», die zwar auch in den beiden Suiten nicht enthalten ist, jedoch separat bei Hamelle in Paris im Druck erschien und dadurch zwar nicht so oft wie die beiden Suiten, aber doch gelegentlich zu hören ist. Es handelt sich um einen wunderbar charmanten Walzer, dessen Form der Kontrast zweier subtil unterschiedlicher Tempocharaktere konstituiert, um dann zum Ende in eine allmähliche Beschleunigung bis zu einem sehr raschen Schlusstempo überzugehen. Im originalen Ballett rauchten die Tänzer auf der Bühne Zigaretten, was durchaus für Diskussionen sorgte.
Christoph Schlüren, März 2024
Aufführungsmaterial ist erhältlich von Éditions Alphonse Leduc, Paris (www.wisemusicclassical.com).