Musikdiskurs als Geschlechterdiskurs im deutschen Musikschrifttum des 19. Jahrhunderts
von Cordelia Miller

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Informationen zu "Musikdiskurs als Geschlechterdiskurs im deutschen Musikschrifttum des 19. Jahrhunderts"

Komponist/Autor: Cordelia Miller
Verlag: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Verlagsnummer: 9783814223834
EAN: 9783814223834
ISBN: 978-3-8142-2383-4

Beschreibung

Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts Band 16
Der bürgerliche Konzertsaal erscheint, was das solistische Instrumentalspiel
betrifft, innerhalb des öffentlichen Musiklebens im 19. Jahrhundert von
Anfang an als ein Ort relativer Gleichberechtigung der Geschlechter, wagten
doch spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts annähernd so viele
Mädchen und junge Frauen den Weg auf die Konzertbühne wie Männer. Indem von
Virtuosen und Virtuosinnen in gleichem Maße Professionalität erwartet und
gefordert und entsprechend honoriert wurde, fanden begabte Musikerinnen hier
ein frühes berufliches Betätigungsfeld bzw. einen Rahmen, innerhalb derer sie
ihr Talent entfalten und bis zu einem gewissen Grad persönliche und
materielle Unabhängigkeit genießen konnten. Die Gründe hierfür sind
vielfältig und offenbaren gleichzeitig in ihrer Ambivalenz, dass die
scheinbar nebensächliche Bedeutung des Geschlechts im Bereich des
öffentlichen Virtuosentums eher äußere, nichtsdestoweniger wichtige Aspekte
betraf, Geschlechterwahrnehmung und -differenzierung im Zusammenhang mit der
Bewertung virtuosen Instrumentalspiels und der geschlechtlich konnotierten
Virtuosenidentität in der Musikrezeption und im musikkritischen Diskurs des
19. Jahrhunderts jedoch eine zentrale Rolle spielten. Einer der wichtigsten
praktischen Gründe für die vergleichsweise guten Karrieremöglichkeiten von
Virtuosinnen lag im nicht institutionalisierten Charakter von Ausbildung und
Berufsausübung, was dazu führte, dass Instrumentalsolistinnen in ihrer
Karriere ähnlichen Voraussetzungen, aber auch ähnlichen Risiken wie ihre
männlichen Kollegen gegenüberstanden. Allerdings wirkte sich das bürgerliche
Ideal der weiblichen Berufs- und Erwerbslosigkeit insofern auf die Laufbahn
der Virtuosinnen aus, als sie nach der Heirat die eigene Karriere oft
zurückstellten oder sogar aufgaben. Eine weitere, im
philosophisch-idealistischen Bereich angesiedelte Ursache für die scheinbare
Geschlechterneutralität auf dem Konzertpodium ist in der die romantische
Kunsttheorie und Musikpraxis prägenden Sakralisierung von Musik zu sehen. Die
Überhöhung als metaphysische Kunst, die Musik als etwas außerhalb der realen
Welt Stehendes betrachtete, äußerte sich im kirchenähnlichen Konzertsaalbau
und quasireligiösen Konzertritualen, die dem Ideal einer vollkommenen
Konzentration auf das Musikwerk im schweigenden Zuhören dienten. Dieses Ideal
erlaubte bis zu einem gewissen Grad die Verletzung bürgerlicher Regeln, zu
denen weibliche Unterordnung, Berufslosigkeit und öffentliche Unsichtbarkeit
gehörten. Im Dienst am Musikwerk wurde die öffentlich, solistisch und
professionell agierende Frau toleriert, allerdings nur bis zum Ende des
Konzerts: Nach Verlassen der Konzertbühne musste sich die eben noch gefeierte
Virtuosin den bürgerlichen Normen wie alle anderen Frauen anpassen.
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